GRAZ CENTER OF PHYSICS – GCP

EU-weiter, nicht-offener, einstufiger
Realisierungswettbewerb

Susanne Seyfert
Matthias Seyfert

Rafael Pielorz
Vinzent Wallner
Felix Mader

06|2021 – 08|2021

Funktionale Aspekte

Die Forschung liegt in den oberen dreieinhalb Geschossen, die öffentlichen Funktionen für Lehre und Studierende im Erdgeschoss und im belichteten Untergeschoss. Ebenfalls hier sind die Werkstätten und Röntgenlabore und darunter im zweiten Untergeschoss weitere Labore und Technikräume.
Die öffentliche Sockelzone:
Im Zentrum des Bauplatzes zwischen den beiden Höfen betritt man gedeckt und regengeschützt das Erdgeschoss. Alle öffentlichen Funktionen sind einsehbar: geradeaus die Portierloge, rechts das Café und die Räume der Studierendenvertretung, links die Praktikumsräume, östlich in einem separaten Gebäudeteil mit eigenem Eingang der Seminarbereich. Zwei große Treppen mit großen Lufträumen und angedockten Innenhöfen führen ins Untergeschoss.
Auch hier ist die Anordnung übersichtlich: Auf der einen Seite ist das Learning Center um die Innenhöfe organisiert, auf der anderen Seite liegen die fünf Hörsäle. Dazwischen befinden sich direkte Aufgänge in den Praktikums- und Seminarbereich. Die Forschung in den oberen Geschossen:
- Sechs Treppenhäuser führen nach oben. Sie können von außen oder über das öffentliche Erdgeschoss betreten werden. Das rechte mittlere Treppenhaus endet im OG1 und wird über Terrasse und Freitreppe mit dem Erdgeschoss verbunden.
Die Treppenhäuser sind an geschossübergreifende und verbindende Lufträume angehängt. So werden das Laborgeschoss im OG1, die Bürogeschosse in den OGs 2 und 3 und das etwas kleinere Laborgeschoss im OG4 nicht nur zur Erschließung miteinander verbunden, sondern auch räumlich gekoppelt. Beiläufige Kommunikation auf dem Weg vom Büro ins Labor oder zu den Sozialräumen, welche bei den Stiegenhäusern liegen, fördert den Forschungserfolg. Die Wege werden kurzgehalten und attraktiv gestaltet.
- Den Laboren im OG1 und den Büros im OG2 vorgelagerte Terrassen ergänzen das Freiraumangebot um weitere Qualitäten. Ruhige und laute Zonen, sonnige und schattige Plätze, Ausstellungsflächen und Rückzugsorte ergänzen das Raumangebot.
- Eine Rutsche im nordöstlichen Hof verbindet das oberste mit dem untersten Laborgeschoss. Sie wird zum kreativen Kurzschluss, zur Abkürzung oder zum lustvollen Perspektivwechsel. Eine zweite Rutsche im südwestlichen Hof verbindet das Dachgeschoss mit den Messplattformen und die Terrasse im ersten Obergeschoss. Sie kann zusätzlich als Verabschiedung der Besucher*innen der öffentlichen Messplattform dienen.
- Werkstätten, Anlieferung und Labore im UG1: Oberlichter belichten an der Nord- und Westseite die Werkstätten sowie die Nebenräume der Hörsäle. An der Ostund Südseite sind die Werkstätten und die Röntgenlabore über einen eingeschnittenen Hof belichtet.
- Labore und Technik im UG2:
Fünf Treppenhäuser führen ins zweite UG und erschließen die unbelichteten Laborflächen und Technikräume auf unprätentiöse Art.

Städtebauliche Aspekte

Der Neubau des Graz Center of Physics – GCP – fügt sich in die gründerzeitliche Blockrandbebauung des Bezirks Gleisdorf ein. Er nimmt die aus der Umgebung vorgegebenen Bebauungsgrenzen auf und respektiert die zulässigen Gebäudehöhen. Bei drei Themen werden die Baugrenzen interpretiert. Diese sind:
- Die Nordostecke des Gebäudes ragt in den Obergeschoßen über die Baugrenze hinaus. Die Außenwände stehen schräg und weisen dynamisch auf das historische Hauptgebäude.

Der lang gezogene Platz mit seiner auf der Ostseite historischen und symmetrischen Platzkante bekommt auf der Westseite, die bestehende Blockrandbebauung ergänzend, einen markanten Abschluss. Klar ablesbar wird so die thematische Zugehörigkeit zur Universität ohne Negierung der strukturellen Zugehörigkeit zur Blockrandbebauung.
Der Sockel der Ost- und Südseite ist durchlässig, transparent und öffentlich. Ein Durchgang verbindet den Universitätscampus mit der Stadt und beide mit dem GCP. Die Erdgeschosszone ist mit öffentlichen Funktionen belegt, welche das GCP repräsentieren.
Das auf dem Campus innerhalb der historischen Gebäude vorhandene Thema des Innenhofes wird aufgenommen, geöffnet und steht nun als Mehrwert der Stadt zur Verfügung. - Im Südosten zur Harrachgasse rückt der Neubau von der Baugrenze zurück. Einerseits um die beiden Platanen zu erhalten, andererseits um der herausgehobenen Bedeutung der Gasse als Vorplatz gerecht zu werden. Die Option einer zusammenhängenden Begegnungszone mit einheitlichem Belag bis in den Innenhof des GCPs und Straßencafés am Blockrand Harrachgasse – Halbärthgasse erscheint ein reizvolles Ziel.
- Die West- und Nordseite des GCP werden als klassische Blockrandbebauung ausgebildet. Die dienenden Funktionen der Anlieferung liegen in der Attemsgasse. Durch eine Baumreihe am Gebäude und im Norden auf der Gegenseite wird die mit Frequenz verbundene Anlieferung für die angrenzenden Bestandswohnungen ausgeblendet. Gleiches gilt für die vorgeschlagene Option der Tiefgarageneinfahrt.

Architektonische Aspekte

Der Neubau des GCP soll klar und unmissverständlich das neue Center der Physik Österreichs mit internationaler Strahlkraft werden. Das ist architektonisch auszudrücken.
Der gesamte Baukörper wird mit einem netzartigen Gerüst umsponnen. So werden alle Funktionen optisch zusammengefasst. Die Kleinteiligkeit des Netzgerüstes vermittelt zur Kleinteiligkeit der umgebenden Stadtstruktur. Die Geschossigkeit und die Fensteröffnungen sind erst in zweiter Ebene ablesbar, was das Einpassen in die Umgebung und die nutzungsspezifische freie Anordnung der Fenster erleichtert. In die Netzstruktur werden außenliegende Verschattung, rankende Begrünungen und Photovoltaik eingepasst. Diese Elemente können auch später noch erweitert werden. Eine variable, zukunftsoffene und sich ständig wandelnde Fassade wird zum neuen Gesicht des GCPs.
Nach außen zum Blockrand ist das Gebäude durch das Netzgerüst ruhig. Der Eindruck der versteckten, eingeheckten vielleicht sogar etwas heimlichen Betriebsamkeit ist gewollt.
Die beiden Knicke, an denen die auskragenden Fassaden starten, markieren die Zugänge ins Blockinnere. Hier zeigt sich die Vitalität des GCPs ungebremst.
Zwei miteinander verbundene Höfe kommunizieren miteinander und über die Eingänge und tieferliegenden Innenhöfen mit dem Inneren. In den oberen Geschossen gibt es Terrassen und zwei Rutschen, welche Lust machen, dieses Innere zu erkunden.
Die horizontale Schichtung des Gebäudes – unten die öffentlichen Funktionen der Lehre, oben die introvertiertere Forschung – ist als gläserner Sockel unten und als verhülltes Gebäude oben ablesbar. Im Inneren wird der Sockel durch verbindende Lufträume als Raumeinheit wahrgenommen. Offenheit, Transparenz, fließender Raum und eingestellte Körper (Hörsäle) kennzeichnen diesen Bereich. In den oberen Geschoßen sind ebenfalls verbindende Lufträume eingeplant. Diese werden zu kommunikativen Zonen, zu Orten des Austauschs und der Begegnung.

Den Neubau des GCP betritt man über die Eingänge zu den Innenhöfen. Es geht hinein in eine eigene Welt, die sich schrittweise öffnet und erschließt. Diese durchlässigen Grenzen, die immer tiefer in die Welt der Physik führen, sind ein wichtiges Thema des Projektes.

Ökonomische, Ökologische Aspekte / Nachhaltigkeit:

Die hohe notwendige Verdichtung unterschiedlichster Funktionen auf dem knappen Baugrund ist anspruchsvoll. Mit folgenden Mitteln werden die ökonomischen Vorteile optimiert: - Die Funktionen sind horizontal geschichtet, gleichartige Räume werden pro Geschoss gesammelt (Geschosshöhen, Technik- und Ausbaugrad, Flexibilität)
- Mehrfachnutzung von Erschließung und Sanitärräumen
- Funktionelle Teilung in öffentliche Geschoße unten mit dazugehörigen Technikräumen im UG2 und nichtöffentliche Geschosse oben mit Technikräumen am Dach
- Gemeinsam genutzte Technikräume im UG2 – Synergieeffekt
- Durch die kompakte Bauweise wird Energie gespart
- Es gibt sechs Treppenhäuser für sechs Brandabschnitte

Konstruktion:
- Die Untergeschoße werden als massive Stahlbetonkonstruktion errichtet. Im EG gibt es einen Systemwechsel zu einer Skelettkonstruktion mit tragenden Stützen und Decken sowie aussteifenden Kernen aus Stahlbeton.
- Die Fassade aus Holzsandwichpaneelen ist durch den hohen Vorfertigungsgrad ökonomisch realisierbar. Holz bindet CO2, daher ist dies durch die große Menge ein wichtiger ökologischer Beitrag.
- Die vorgehängte Skelettfassade ermöglicht variabel und zukunftsoffen Verschattung, Solarpaneele und noch unbekannte Gebäudekomponenten zu integrieren.

Materialität:
- Ressourcenschonende Materialien – zum Beispiel Holzsandwichpaneele, unbeschichtete Materialien wie Estrich, hölzerne Verkleidungen und Geländer – werden soweit möglich eingesetzt.
- In der Ausführung wird versucht, weitestgehend auf aufgeschäumte Dämmstoffe zu verzichten.
- Das Fassadenskelett ist preiswert, variabel in seiner Dichte und kann auf Himmelsrichtungen reagieren. Es wird im Entwurf aus Gründen der Langlebigkeit und des Brandschutzes aus Strangpressprofilen hergestellt vorgeschlagen. Der zumindest teilweise Einsatz von Holzprofilen ist andenkbar.

Mobilitätsqualität/ Mobilitätsinfrastruktur:
Das GCP ist optimal auf kurzem Weg von mehreren Seiten an den öffentlichen Verkehr angeschlossen. Es gibt fußläufige Zugänge an allen Seiten in hoher Qualität. Die Fahrradstellplätze werden unmittelbar und teilweise gedeckt bei den Zugängen angeordnet. Für den noch notwendigen Individualverkehr gibt es eine Tiefgarage. Durch die innerstädtische Lage sind sämtliche sozialen Gruppen für die Nutzung des Gebäudes inkludiert.

Barrierefreie und gendergerechte Gestaltung:
Alle Räume sind über Aufzüge barrierefrei erreichbar. Es wird eine inkludierende Form der barrierefreien und gendergerechten Gestaltung angestrebt, indem innerhalb der weiblichen oder männlichen Sanitärräume Bereiche für die verschiedenen Gruppen ausgewiesen werden können. Im Detail ist dieses Konzept mit den beteiligten Nutzern innerhalb der vorgeschlagenen Flächen abzustimmen und umzusetzen.